Vertreibung der Schlesier 1946/1947

Vorbemerkung

Man muss unterscheiden zwischen Flucht (Trecks) 1945 und der späteren - systematischen - Vertreibung 1946/1947.

Vertreibung der Schlesier aus ihrer Heimat 1946/1947
in die britische Zone Deutschlands

Wie lief eine typische Vertreibung 1946 ab?

Ende Februar 1946 begann mit der „Aktion Schwalbe“ die Vertreibung der Schlesier. Insgesamt wurden dabei allein in die britische Zone 1 360 000 Menschen in Güterzügen verfrachtet. Für die ersten Betroffenen kam die systematische Vertreibung der Deutschen aus Schlesien ab Februar 1946 völlig überraschend. Die Radios hatten die Deutschen schon im Sommer 1945 abliefern müssen, Landkarten durfte man nicht besitzen, jede Art Information war unerreichbar.

Unsere Mutter mit ihren vier Kindern war z.B. gerade auf Besuch in einem Dorf, als an einem Sonntag Abend 21 Uhr (25.2.) die polnische Miliz mit Gewehrkolben an die Haustür schlug und drohend "dawei, dawei" rief, d.h. man sollte sofort verschwinden. Zeit zum Packen gab es nicht, aber da solche Aktionen öfter vorkamen, um Wohnungen oder Häuser zu requirieren oder nur zu plündern, waren alle Deutschen schon mit einem Rucksack und Mantel neben der Tür vorbereitet. Die Menschen - kaum Männer, nur alte, Frauen und Kinder - wurden ins Gasthaus des Dorfes getrieben und am nächsten Morgen bei klirrender Kälte zu Fuß unter Bewachung in die etwa 15 Kilometer entfernte Kreisstadt getrieben. Dort mussten die Armen in einem leerstehenden ehemaligen Finanzamt mit eingefrorenen Wasserleitungen und also unbrauchbaren Toiletten mehrere Tage ohne Verpflegung auf ihr unbekanntes Schicksal warten, bis sie zu je 30 Personen in einen leeren Güterwagen gezwängt wurden, 1500 Personen insgesamt. Niemand kannte das Fahrtziel. Ging es in ein Arbeitslager oder nach Sibirien?
Bald wurde aber klar, dass der Zug in Richtung Westen fuhr. Oft hielt der Zug auf offener Strecke, die Lokomotive wurde anderweitig gebraucht. Dadurch brauchte der Zug zwei Tage und Nächte bis zur damaligen sowietischen Zone! Hier gab es endlich Verpflegung. Zahlreiche Tote wurden ausgeladen. Jeder wurde "entlaust", d. h. mit reichlich DDT gepudert.

Folgendes Zitat stammt aus einem Bericht von Thomas Kujawinski, Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur:
"Irgendwann an einem Tag sagte jemand: Nun ist sie tot, nun raus damit. Da habe ich erst erfahren, dass meine Mutter tot war. Wir Kinder saßen um sie herum, sie lag da tot, wir haben es gar nicht gemerkt. Es war dann in Görlitz: Da kamen ein paar Männer oder Frauen und sagten: Sind hier Tote drin? Ja, da ist eine Frau. Da hatten sie eine Leiter, haben sie einfach, angezogen wie sie war, draufgepackt und sind damit weg. Meine Brüder und die Kleine, die schrien wie verrückt, und ich bin hinterhergelaufen."
Ende des Zitats.

Dann fuhr der Zug mit allen Personen weiter bis Helmstedt-Mariental in der britischen Zone. Am Sonntag, dem 4. März 1946 traf unser Transport dort ein. Über Mariental kamen nur jene Vertriebenen, die in der damaligen britischen Zone untergebracht werden mussten.

Den vormaligen Fliegerhorst Helmstedt-Mariental benutzten 1945 die Alliierten sofort zur Unterbringung von ehemaligen Fremd- und Zwangsarbeitern sowie KZ-Häftlingen. Danach brachte die britische Militärregierung Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten in den Betriebsgebäuden des Fliegerhorstes jeweils vorübergehend unter. Bis 1947 durchliefen über 500.000 Menschen Mariental, darunter auch die, die im Rahmen der "Aktion Schwalbe" aus Schlesien vertrieben worden waren. Hier wurden die Ankommenden noch einmal "entlaust", verpflegt, registriert und auf jene Orte verteilt, die die Vertriebenen aufnehmen mussten. Dann ging es - in einem Personenzug - dort hin.

In dem Buch "Das Flüchtlingslager Mariental (1945-1947) und die Vertriebenentransporte aus Schlesien (1946-1947)" von Rolf Volkmann, ISBN-Nr. 3-00-001801-8, sind Transporte mit Zügen eingetragen. Man kann darin aber nur feststellen, aus welchem Ort die Transporte kamen, wann sie in Mariental ankamen, wohin sie weitergeleitet wurden und wieviel Personen es waren. Namen sind darin nicht aufgeführt.
Auf dieser Website finden Sie eine Abbildung solcher Listen.

345 Transportlisten - mit den Namen der Vertriebenen, Beruf, Geburtsdatum, Konfession und bisherigem Wohnort, insgesamt je Transportliste zwischen 40 und 50 Seiten (etwa 40 Personen pro Seite) - liegen heute im:
Staatsarchiv Wolfenbüttel
Forstweg 2, D-38302 Wolfenbüttel
Telefon: (05331) 935-0
Fax: (05331) 935-211
E-Mail: Wolfenbuettel@nla.niedersachsen.de
Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch und Freitag 8.00-16.00 Uhr,
Dienstag und Donnerstag 8.00-18.30 Uhr.
http://www.nla.niedersachsen.de/

Ausblick

Was ich hier berichtet habe, ist lange her. Es ist eine Information, was 1946 geschah.
Heute arbeiten wieder Deutsche und Polen in der EU vertrauensvoll zusammen.




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Letzte Erweiterung am 7. April 2012.   ©   Dr. Claus Christoph, Hemmingen